2. Zylinderlinsen
Ist die Oberfläche einer Plasteflasche hinreichend glatt und die
Form zylindrisch, läßt sich die ganz mit Wasser gefüllte
Flasche als starke Zylinderlinse verwenden. Auch teilgefüllte Flaschen
mit ruhiger Flüssigkeitsoberfläche parallel zur Zylinderachse
stellen -plankonvexe- Zylinderlinsen dar.
Sei d der Durchmesser der Flasche, dann ist der Krümmungsradius r= d/2.
Die Brechzahl der Flüssigkeit in der Flasche werde mit n bezeichnet,
die des Mediums außerhalb der Flasche (das ist meist, aber nicht
immer Luft) mit na.
Mit D = (n -na)/r ergibt sich
für den Gesamtbrechwert Dg der -dicken- Zylinderlinse:
Dg = 2D - d/n * D2
(sogenannte Gullstrandsche Formel
Dg = 4na * (n - na) / (n * d)
Die Brennweite f ergibt sich daraus zu
f = na / Dg = (n * d)/ (4 *n - 4 * na)
Die Brennweite ist dabei von der zugehörigen Hauptebene aus zu
rechnen. Im Falle einer Zylinderlinse in Luft (na = 1,000) mit
kreisförmigem Querschnitt fallen die beiden Hauptebenen zusammen und
liegen genau in der Mitte. Für Wasser als Füllmedium kann man
näherungsweise mit einer Brechzahl von n = 1,333 = 4/3 rechnen. Setzt
man das in die Formel ein, ist überraschenderweise die Brennweite f
genau gleich dem Durchmesser der Flasche.
Die so berechnete Brennweite gilt nur für Strahlen nahe der optischen
Achse (sogenannter Gaußscher Raum). Für achsferne Strahlen
verkürzt sich die Brennweite; diesen Effekt nennt man sphärische
Aberration. Den Strahlengang achsferner Strahlen muß man exakt mit
dem Brechungsgesetz ermitteln. In der Abbildung ist dies mit einem
Computerprogramm für eine Zylinderlinse aus Wasser in Luft verdeutlicht.
Die Brennweite bzw. genaue Brennlinie kann man mit Sonnenlicht und einem
hinter die Zylinderlinse gehaltenen Blatt Papier gut beobachten. Die
sphärische Aberration äußert sich in einem "Zerlaufen" der
Brennlinie. Mit einer vor der Flasche befestigten Schlitzblende kann man
sie vermeiden, weil man so die achsfernen Strahlen abdeckt.
Die Dicke der Flaschenwandung von Plasteflaschen unterschreitet meist
1 mm. Damit kann sie praktisch für die Berechnung der Brennweiten
vernachlässigt werden, Bei Glasflaschen mit dickerer Flaschenwandung
ist das nicht in gleicher Weise möglich. Zylinderlinsen haben den
Effekt daß sie nur in einer Richtung senkrecht zur Zylinderachse
eine optische Wirkung hervorrufen. Legt man sie z. B. auf eine Textzeile
(mit der Zylinderachse parallel zur Zeile), so erscheint die Schrift nur
senkrecht dazu vergrößert. Die Zylinderlinse wirkt dann wie
eine Lupe, bei der sich der Gegenstand innerhalb der einfachen Brennweite
befindet. Die sphärische Aberration läßt sich ebenfalls gut
beobachten. Am Rand der Flasche erscheint die Schrift stark verzerrt.
Ein einfaches und bekannt-unterhaltsames Experiment läßt
sich mit so einer Wasser-Zylinderlinse durchführen. Legt man die
Zylinderlinse direkt auf die mit Großbuchstaben geschriebene
Textzeile
DIE HEXE ZAUBERT
so erscheint der Text vergrößert. Hebt man die Linse um etwa das
Doppelte der Brennweite über diese Textzeile, so wird das Wort ZAUBERT
unleserlich. Die Erklärung dafür ist, daß die gesamte
Textzeile dann außerhalb der Brennweite der Zylinderlinse liegt und
alle Buchstaben umgedreht werden. Bei den Buchstaben, die senkrecht zur
Textzeilenrichtung symmetrisch sind, fällt das aber nicht auf.
Es trägt beträchtlich zur Verwirrung bei, wenn man z. B. die
Wörter DIE HEXE rot malt und das Wort ZAUBERT grün. Die
Erklärungen für den Effekt werden dann in eine falsche Richtung
geleitet. Es ist ein interessantes Spiel, weitere Texte mit solchen
Symmetrien zu finden. In die Plasteflasche können auch Flüssigkeiten
mit anderer Brechzahl gefüllt werden. Geeignet sind z. B. Glyzerin
(wasserfreies Glyzerin n = 1,455) oder Rizinusöl (n = 1,478). Damit
lassen sich bei gleichem Durchmesser der Plasteflaschen verschiedene
Brennweiten realisieren. Die Brennweite muß man dann übrigens
mit der obigen Formel wirklich errechnen; es gilt nicht der einfache
Zusammenhang wie beim Wasser. So gefüllte Flaschen haben dann sogar
in Wasser als umgebendem Medium (z. B. in einem Aquarium) noch eine
Sammellinsenwirkung.
Genügend stabile Plasteflaschen kann man mit Luft gefüllt
unter Wasser setzen, ohne daß sie dabei ihre Form verändern.
Sie wirken dann als stark zerstreuende Zylinderlinsen. Das ergibt sich aus
obiger Formel, wenn man die Vorzeichen berücksichtigt; es folgt
nämlich ein negativer Brechwert bzw. eine negative Brennweite.
Fällt ein paralleler Lichtstrahl auf eine Zylinderlinse, vereinigen
sich nur die Strahlen nahe der optischen Achse zu einem Brennpunkt.
Weiter außen befindliche Strahlen schneiden die optische Achse
näher zur Linse hin (sphärische Aberration)